Aus Eurem Wilhelm wird nichts - Der hat nur Flausen im Kopf
Von Gisela Schladerbusch
Wer heute in Hameln durch die Fischpfortenstraße geht, der kommt an einem schönen, alten,
zur Zeit aber leerstehendem Fachwerkgebäude vorbei. Der erste Eindruck ist nicht der beste, denn
es ist sehr renovierungsbedürftig, was ein neugieriger Blick durch die blinden Fensterscheiben
bestätigt. Aber beim zweiten Hinsehen wird man eine Info-Tafel gewahr und - man glaubt es kaum -
man steht vor dem Wilhelm-Busch-Haus!An der "Utlucht" des Hauses befindet sich ferner eine
verwitterte Inschrift, die weitere Auskunft gibt: "Hier weilte Wilhelm Busch im Jahre 1853".
Wilhelm-Busch-Haus in Hameln, Fischpfortenstraße Foto: G. Schladerbusch
So stellt sich der Besucher die Frage, was hat Busch mit diesem Hause verbunden und warum
ist es in einem in einem so schlechten Zustand?
Zur ersten Frage: In Buschs Elternhaus
in Wiedensahl "lebte auch die verwitwete Großmutter mütterlicherseits, Amalie Kleine
geb. Wiederhold (*1771 in Hameln im Hause Bäckerstraße 55, + 1847 in Wiedensahl)". 2)
"Die ältere Schwester dieser Amalie Kleine geb. Wiederhold, Catharina blieb in Hameln
in der Bäckerstraße 55 wohnen. Sie war verheiratet mit dem 3) Hamelner Goldschmied
Johann Georg Fargel. (…)
Geburtshaus seiner Großmutter, Bäckerstr.55, vor dem Abriss; 1898.
Ihre Enkelin, Amalie Fargel heiratete 1847 den Hamelner Kaufmann Friedrich
Schäfer, dem von 1847 bis 1869 das schöne Fachwerkhaus von 1555 an der Fischpfortenstraße
11 gehörte."
Diese Amalie Schäfer war das Patenkind der Amalie Kleine – Buschs
Großmutter- und durch diese Verwandtschaft kam es zu häufigen wechselseitigen Besuchen.
"In diesem Hause weilte Busch öfter, am längsten in den Jahren 1853/54, wie eine
Balkeninschrift vermerkt".4)
Der Eindruck, den Wilhelm Busch in Hameln hinterließ,
war recht zwiespältig! Busch schrieb in seinen Aufzeichnungen über seine Zeit in Hameln:
"Jeden Morgen um sechs nahm ich bei den Mühlen ein Wellenbad Um zehn Uhr morgens, auch abends
zuweilen, ging ich regelmäßig ins Brauhaus. Die übrige Tageszeit wurden die alten
Häuser gezeichnet." 5)
Diese Wellenbäder in der Weser waren für die honorigen
Bürger Hamelns um die 1850er Jahre ein unerhörter Vorgang. Und dass dieser jungen Mann von gut
20 Jahren, seine Zeit damit verbrachte zu zeichnen, machte einen äußerst schlechten Eindruck!
Eine Verwandte meinte: " Aus Eurem Wilhelm wird nichts. Der hat nur Flausen im Kopf!" 6)
Und um noch eins drauf zu setzen, skizzierte Busch Hamelner Bürger, was besonders bei älteren
Frauen wenig Beifall fand – so mancher mag sich da doch wieder erkannt haben und fühlte sich getroffen!
Später soll eine Hamelnerin, die ein Bild vom ihm zerrissen hatte, gesagt haben: "Ja,
wenn ich gewusst hätte, dass er einmal berühmt wird, hätte ich es nicht getan".
8) Ja, so geht es mit der Kunst: erst verkannt, dann hoch geschätzt. Busch zeichnete nach seinem
Wellenbad diese Köpfe im Brauhaus bei einem Schoppen, so waren diese Hamelner Bürger wohl recht
treffend porträtiert!
Diese Skizzen sind in dem von Otto Nöldeke herausgebrachten Buch
zu finden. Nöldeke hatte 1935 einen Band mit den gesammelten Busch-Briefen und Zeichnungen herausgebracht.
9)
Und nun zur zweiten Frage:
Unsere Nachforschungen haben Erfreuliches ergeben. Die
"Sparkasse Weserbergland" beabsichtigt, das Haus in der Fischpfortenstraße zu
restaurieren!
"In Anbetracht der zunehmend starken Verfallserscheinungen und dem derzeitigen
Leerstand des Objektes bekennt sich die Sparkasse Weserbergland zu ihrem Auftrag, auch die
Standortförderung der Weserbergland-Metropole Hameln voranzutreiben, um das Wilhelm-Busch-Haus wieder
zu einem historischen Schmuckstück im Rahmen des touristischen Stadtrundganges auszubauen".
10) Laut Zeitung sagt der Vorstandvorsitzende F.W. Kaup: "Schon im November (2011)soll mit ersten
vorbereitenden Arbeiten begonnen werden. Das Gebäude, dessen innere Substanz starke Schäden
aufweist, wird demnächst entkernt. Es folgen sodann gründliche statische Untersuchungen für
den Innenausbau und Erhalt der Außenwände. Parallel dazu werden Planungsvorschläge
für den späteren Gebäudeausbau und seine Nutzung erarbeitet". 11)
Dieses Haus ist,
so die Zeitung, nicht ohne Reiz: "Erbaut um 1560 als dreigeschossiges Haus, waren die unteren
beiden Geschosse ursprünglich in historischer Ständerbauweise errichtet. Um 1850 wurde die Fassade
neu gestaltet, Anfangs hatte das Haus einen Spitzgiebel, der später durch das heute vorhandene
Krüppelwalmdach ersetzt wurde. Das Gebäude sticht in der Häuserzeile an der
Fischpfortenstraße durch seine reichhaltigen Verzierungen hervor. Fächerrosetten und Flechtbänder
zwischen den einzelnen Stockwerken; Füllhölzer und Schwellen mit Taubändern, die mit so
genannten Perlstäben besetzt sind, sind ein Zeugnis ihrer Zeit. Die Sparkasse Weserbergland will
das Projekt jetzt zügig angehen".
12) www.weserbergland-nachrichten.de
So ist Hameln in jeder Hinsicht eine besuchenswerte und
liebenswürdige Stadt. Nicht nur wegen der Rattenfängersage, der sehenswerten Innenstadt, der
wunderbaren Weserrenaissance, sondern eben auch wegen der Verbundenheit unserer Familie mit Wilhelm Busch!
Anmerkungen:
1. Archiv Gisela Schladerbusch. Aufnahme des Busch-Haus in der Fischpfortenstraße und Info-Tafel.
2. Dr.Ostermeyer, Annemarie: "Wilhelm Busch und seine Verwandten in und aus Hameln". In: Museumsverein Hameln, Jahrbuch 1989/90, S.11-15
3. Dr. Ostermeyer, Annemarie: ebenda. S.13.
4. ebenda. S.12
5. Wilhelm-Busch-Haus/Stadtrundgang/Home. (725 Jahre Rattenfänger)
6. Dr.Ostermeyer, Annemarie: ebenda. S. 12
7. ebenda. S. 14 u. 15.
8. ebenda. S.12
9. Nöldeke, Otto: (Hg.), Wilhelm Busch. Ist mir mein Leben geträumet? Briefe eines Einsiedlers. Gesammelt und
herausgegeben von Otto Nöldeke. Leipzig 1935.
10. Weserbergland Nachrichten, Artikel vom 20.10.2011. Historisches Juwel in der Fischpfortenstraße: Hamelner
"Wilhelm Busch Haus" soll wieder ein Schmuckstück werden!
11. ebenda
12. ebenda